prolog

auf einmal steht die welt still. kein laut mehr zu hören. sie hat sich einfach aufgehört zu drehen. schwupp – gestopt. kein muks mehr. u das ohne ruckeln, ohne stöhnen. kein ächzen, kein krachen wie man es von emma, der langgedienten dickbäuchigen mutter aller dampfloken gewohnt ist. sie -die welt – hielt einfach an. geschmeidig u ohne ankündigung. einfach so. wie eine gazelle in der savanne. u auch ich stehe so da: den kopf in die höhe streckend, einbisschen verdutzt aber in äußerster konzentration am straßenrand. am wegrand. nein, das ist auch kein weg. kein feldweg. kein waldweg. es ist ein rotbraues band, dass sich zwischen weinbergen, olivenhainen u struppigen feldern dahinwindet. immerwieder durchzogen mit tiefen, noch röteren, kraterähnlichen furchen. oder unterbrochen von braunen schlammtümpeln. der regen hat erst gestern aufgehört. seine spuren sind eben da noch sichtbar.

ich stehe also auf diesem brauen band u schaue über das tal auf den nächsten hügel. und auf den übernächsten. ab hier reihen sie sich an-, reihen sie sich hintereinander bis an die heilige stadt. dann reihen sie sich weiter bis an das tote meer. eigenartig: solche namen direkt hintereinander. hier sind sie noch fruchtbar. mein auge sieht nicht nur die frischgrünen reben der weinstöcke u die silbriggrünen blätter der ölbäume, auch den dunkelgrünen wald. die farbliche wonne geht über in die sanfte schwingung der landschaft. eine visuelle wohltat, wellness für die äußeren, die weiten sinne. die die fähig sind in die weite zu fühlen. zu spüren. wahrzunehmen. ich kann nicht nur den wind um meine ohren rauschen hören, ich kann auch sein rascheln in den dürren halmen vor mir wahrnehmen, u sein zärtliches streicheln über die äußersten enden der baumkronen hochoben. ich höre die vögel zwitschern u rufen, die grillen zirpen u die schmetterlinge —- ich schüttle schmunzelnd den kopf: nein, sie höre ich nicht. aber fast meine ich ihre zarten flügel die luft bewegen zu hören – uhuch, uhuch. u ja, ich höre auch die nahe autostraße. u die wagemutigen fahrer, die sich über u durch das braune band u seine trockenen, feuchten u nassen ausbuchtungen wagen: ihr langsames rangieren, das eintauchen der räder in das dichte schlammwasser u das geräusch einer wasser-schneidenden-schere wenn dieses platz macht für die durchfahrt. u dann höre ich nichts. ich höre kein schreien in mir. kein aufheulen meines inneren motors, wenn er auf schlammiges wasser trifft, auf steine in ungeahnten tiefen aufsetzt u diese in bewegung bringt. ich fühle kein ruckeln, wenn der vierrandantrieb für offroad-pisten in anspruch genommen werden muss, weil die steine wiederum mein gefährt u mich in bewegung bringen. der wagen schaukelt nicht. ich höre —- nichts. nichts als den wiederhall des äußeren im inneren. shalom. den äußeren frieden im inneren. shalom. die weite der landschaft außen spiegelt sich in der weite der landschaft innen. shalom. die tiefenschärfe des klaren tages lässt die tiefe innen erahnen. shalom. aber es ist alles still. glatt. die geräusche von außen dringen nach innen u hallen nach. tief u dunkel. oder eigentlich garnicht. nicht höhrbarer nachhall. nicht einmal der leiseste gedanke an nebengeräusche. seltsam. das ist ruhe. es ist so unglaublich, dass unwillkürlich diese typische kombination aus augenbrauen kräuseln u kopfschütteln entsteht. so unbekannt. innere ruhe. shabbat shalom.

ich drehe mich um u gehe den weg zurück. u immernoch sind sie da: die wahrnehmungen. alle. ich höre alles! nebeneinander. wie die gazelle: ohren aufgestellt u augen offen. alle sinne gespitzt. angespitzt u still bis in die schwanzspitze. völlig frei von anstrengung aber hellwach. augen offen. ohren stehend. haut gespannt. äußerlich u innerlich. ich nehme alles nebeneinander wahr. ohne rangordung: hügel, wein. beihnahe der geschmack auf meiner zunge. wind. vögel. motor. alles. alles da. selbst das unsichbare. diesem gilt die aufmerksamkeit. auf den löwen, der sich noch verbirgt. der noch unsichtbar. auf das unsichtbare. alles wahrgenommen. jede wahrnehmung ihren platz. ihre wichtigkeit. ohne zwist u zankerei. fehlte eine – es wäre ein loch im bild. ein weißes. auch das unsichtbare hinterließe eine leere. ließe das ganze eiern. aber es fehlt nichts. alles da. wie ein orchester. erste u zweite geige. trompete u tuba. oboe u klarinette. flöte u fagott. pauken. wie bei einem orchester harmoniert alles in seiner unterschiedlichkeit zu einem wohlklang, der von außen nach innen dringt. der raumfüllend ist. ohne verstärkung. weitreichend.

ich lehne mich zurück. ich atme aus. kurz u immer noch ungläubig. die stirn in runzeln. ich atme ein, bereit zum widerspruch u lehne mich nach vorne. der zeigefinger wandert an den mundwinkel, ich öffne den mund: —- aber selbst der himmel ist in so einem klaren blau gemalt u die sonne zeichnet ihr schmeichelndes gelb auf die haut – ohne brennen – dass ein aber heute noch nicht einmal denkbar ist. es wäre emmas stönen u ächzen. es würde verletzten wie ein schabender stuhl in einer kreuzfahrerhalle. unverrichteter dinge schließe ich den mund wieder.

die moldau wird gespielt. vom vollbesetzten symphonieorchester. in dauerschleife die breite, dahinfliesende moldau irgendwo zwischen warschau u ostsee. immer u immer wieder. harmonie eines verbundes. einer zusammenschlusses. kraftvoll. harmonie innen u ausen. stille. u doch im fluss. EIN fluss. kein ankommen dagegen. ruhe.

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