adhs gibt es nicht

heute morgen bin ich mit einem lied von xavier naidoo im ohr aufgewacht. seine lieder haben mich in den letzten tagen oft begleitet. alles kann besser werden, halte durch, dieser weg, schau nicht zurück u wie sie alle heißen. sie passen gerade sehr gut. sind wunderschön: phantastisch gut gesungen, sensationell getextet – uneindeutig eindeutig – luftig u leicht: rhythmischer wahnsinn. für musik-laien. heute morgen war es also ein lied über freiheit: ich bin frei, frei wie ein vogel… weiter weis ich den text nichtmehr, tatsächlich habe ich dieses lied nur einmal bewusst gehört.

ich hatte diese woche zwei erlebnisse – zusammenstöße mit einem system, zwei systemen: organisationen in denen ich mich bewege. die eine ist die arbeit. ich habe meinen versetzungsantrag gestellt. ich lasse mich in den kreis bb versetzten. ohne wunschschule, ohne persönliches gespräch mit zuständigen personen auf dem amt. wir haben uns nicht erreicht. einfach weil ich nichtmehr so weit fahren will. u weil alles in mir sagt: los. die sachlage ist also keine andere wie vor einer woche, als ich einen termin abgesagt habe weil ich noch nicht bereit war. u doch ist alles anderst: ich kann mit einem guten gefühl einen antrag ins blaue stellen, hinter der kurve an der straße warten ohne zu wissen, wann die mitfahrgelegenheit kommt u WAS kommt: bus, smart, bentley oder fahrrad. warten macht eigentlich spass: man hat den kopf frei für gedanken die kommen – ungewohntes. wenn man sich nicht über den zuspätkommenden aufregt.

das andere war ein zusammenstoß mit gemeindeleuten. überall verändern sich dinge. organisationen wachsen u ja, demzufolge wäre der logische schluss, dass auch strukturen mit wachsen müssen. ich solle mich frei fühlen: mir meine zeit zu nehmen oder nein zu sagen. dass damit mein ausscheiden verbunden ist, war der person wohl nicht klar. nicht schlimm: es passt. es passt tatsächlich: ich bin froh, dass ich raus sein kann. aber ich bin halt auch raus. raus aus einem arbeitsbereich, aus einem teil der mitarbeitergemeinschaft. weil ich wahrgenommen habe, dass mir da wirklich was gegen den strich geht. gegen meinen. persönlichen.

ich hatte immer kinder in meiner klasse, die auffällig sind. nicht behindert, sondern verhaltensauffällig, -oringell. sogenanntes adhs, erziehungsschwierig, auffällig im bereich soziale emotionale entwicklung. letzteres ist der aktuelle, politisch richtige begriff. glaube ich.
einer dieser jungen kam erst zum zweiten schuljahr zu uns. nach einem vmtl schwierigen ersten schuljahr an einer anderen schule. für die lehrer schwer u für ihn verheerend. wir brauchten die uns verbleibenden 3 jahre um ihm den spass an schule wieder zugeben. nein anderst: ich habe versucht ihm in den 3 schuljahren das gefühl zu vermitteln, dass schule auch spaß machen könnte. dass er auch gut sein könnte. ich wünsche mir sehr, dass er zumindest eine idee davon bekommen hat – ich glaube es nicht. was die SCHULE betrifft. WIR haben uns glänzend verstanden.
regelmäßig wenn wir mathe geübt haben, u das blatt zu voll, die aufgaben zu schwer, die zeit die er übte zu lang wurde – was alles meine fehler waren!! – fing er an sich aufzulehnen: blatt verkritzeln, zerknüllen, in die ecke schmeißen, aus dem zimmer rennen, mit oder ohne beschimpfungen, im anderen zimmer stühle werfen u ja, auch lehrerinnen angehen. das war das letzte – nicht das LETZTE, sondern das letzte. ihr versteht schon? im programm. ich weis nicht, wie oft wir das erlebt haben. aber ich weis noch eine situation, die mich stauen lies: ich saß mit ihm in unserer garderobe, weil er erst später in die pause durfte: was für eine bescheuerte strafe, für kinder u lehrer. in diesem fall hat sie mir die welt ein stück erklärt. hat er mir die welt erklärt. ich fragte ihn, was los war. u erwartete keine antwort. woher soll er schon wissen, was los war. u fehler gibt man nur ungern zu. da war auf einmal so eine wut in meinem bauch. u die wurde immer größer. sagte er mit hängendem kopf. leise u zart. kein wort von verhalten, keins von fehlern. die antwort ging tiefer. ich war baff. ich weis nicht wie oft mir seither diese worte im kopf rum gingen.

ich kann mich aus meinem studium an einen artikel eines professors erinnern, der titelte: geistigbehinderte gibt es nicht. ich hab leider nicht nur den namen der koryphäe der geistiggehindertenpädagogik vergessen, auch die argumentation des artikels, aber der grundtenor ist da: vlt stimmt etwas nicht mit dem drumrum, mit den definitionen, mit der norm. mit der gesellschaft, mit dem gleichgewicht. vlt sind manche kinder auffällig GUT im sozialen u emotionalen u WIR sind die vollidioten. die blinden, die angepassten, die aerodynamisch gestylten highspeed maschinen auf unseren straßen.
was mich bei * damals berührt hat entdecke ich heute an mir selber. eine wut, die mich um mich schlagen macht. die mir erlebnisse mit organisationen beschert, von denen ich teil sein will, aber nicht teil sein darf, weil ich dinge anderst sehe. wo ich abgehängt werde u das auch noch nett lächelnd begründet wird.
ich glaube dass es adhs nicht gibt. ich glaube, dass das kinder sind sich schwer tun mit diesem system. die nicht auf linie gebracht werden können, sich nicht einfach so auf linie bringen lassen wollen. weil sie der 611er in unseren fussgängerzone sind. u vlt täten wir gut daran nicht die verhaltensweisen der Kinder zu verbessern, zu hinterfragen, anzupassen, sondern am drumrum zu überlegen. diese kinder als seismographen für unsere gesellschaft wahrzunehmen. denn sie sind unendlich wertvoll. u wir brauchen sie. unsere gesellschaft braucht sie. so wie sie sind u nicht das was wir draus machen wollen.
das glaube ich nicht nur, das habe ich erfahren. in unzähligen begegnungen in der schule. mit denselben.

wenn man die lieder naidoos in dauerschleife hört können sie auch deprimieren. mich. weil ich ähnlich empfinde. vmtl.
frei fühle ich mich heute aber trotz verharren in diesem system der schule. deswegen, weil ich die lieder ausmachen kann, wenn ich merke dass die lähmung in mich hineinkriecht. sie verschwinden deswegen ja nicht.
dass es sowas gibt habe ich von * gelernt. danke du genie!

 

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